Stellungnahme zum Preisträger des Wettbewerbs „Neubau Stadthaus am Markt, Frankfurt am Main“

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Der Städtebaubeirat der Stadt Frankfurt am Main nimmt zum Wettbewerbsergebnis und zum Entwurf des 1. Preises wie folgt Stellung:

Das Resumé des Wettbewerbsprotokolls, dass die preisgekrönte Arbeit „auch hinsichtlich einer eventuellen Weiterentwicklung großes Potenzial aufweist“, kann nur als vorsichtiger, aber unüberhörbarer Hinweis auf die Schwachpunkte des Entwurfs verstanden werden:


• Die unklare städtebauliche Platzierung des Neubaus, die zu überdimensionierten Platzräumen führt, so dass einige Preisrichter der Auffassung waren, „diese müssten zugunsten klarer und eng gefasster Stadträume durch Vergrößerung des Hauses reduziert werden“. Der Städtebaubeirat schließt sich dieser Kritik an, da die vom
Preisträger vorgeschlagenen Stadträume im Westen und Osten bestenfalls die Qualität zufälliger Resträume haben und die Einmaligkeit eines „Hühnermarkts“ entwerten.

• Die unentschiedene Einbindung des Archäologischen Gartens im Bereich des Stadthauses, dessen geplante Umrisse die der „Aula Regia“ durch das Abschneiden der Apsiden negiert. Der Städtebaubeirat sieht in einer derartigen Beschneidung die Gefahr, dass der Nachwelt symbolhaft ein gespaltenes Verhältnis der aktuellen Frankfurter
Bürgerschaft zu ihrer Vergangenheit vorgespiegelt wird, welches so nicht der Realität entspricht.

• Der unscharfe Umgang mit den historischen Vorbildern, wie z. B. bei der geplanten Gebäudezeile am Markt, zwischen dem „Roten Haus“ und der “Goldener Waage“, der zu historisierenden Fassaden führt, die lediglich Platzhalter sind und deren Umsetzung ein erster Schritt zu einem „Disneyland am Dom“ wäre. Absurderweise muss für das konkret
zu rekonstruierende Rote Haus eine Rückseite erfunden werden, da dieses aus ihrem historischen Kontext gerissen wird.

• Die undefinierte Dachform des Stadthauses, die nirgendwo zwischen Braubachstraße und Main eine Entsprechung findet und aus dem direkten Umfeld wie ein Flachdach wirkt.

S T Ä D T E B A U B E I R A T   D E R   S T A DT   F R A N K F U R T  A M  M A I N
Vorsitzender: Martin Oster, stellvertretende Vorsitzende: Adelgard Weyell

Geschäftsstelle:  Braubachstraße 10-12, 60311 Frankfurt/M., Tel.: 069 – 28 31 56, Fax: 069 – 28 91 18

• Die unharmonische Fügung der einzelnen Baukörper, die das Stadthaus wie ein gestrandetes Schiff in die Rückfront der Gebäudezeile stoßen lässt. An der zum Dom gewandten Schauseite kommt es zu einer bedenklichen Konfrontation des minimalistischen Zeitgeist des Stadthauses mit der Renaissance-Fachwerkskunst der Goldenen Waage, was weniger Ausdruck baukonstruktives Unvermögens als vielmehr mangelnde Sensibilität für die Aufgabenstellung offenbart.
Allen Preisträgern gemeinsam ist die Auffassung, die historische Häuserzeile und das Stadthaus bzw. den Archäologischen Garten als getrennte, nebeneinander stehende Bauaufgaben zu behandeln, was zu unvermittelten und historisch nicht erklärbaren baulichen Agglomerationen führt.
Eine Auseinandersetzung mit Geschichte an diesem Ort sollte mehr als das Addieren der durch politische Prozesse vorgegebenen Häuserzeile mit einer Hommage an die Krönungshalle karolingischer Zeit sein.  Auseinandersetzung mit Geschichte an diesem Ort bedeutet vielmehr, für das ganze Wettbewerbsgebiet die historische Altstadt komplett zum
Ausgangspunkt zu nehmen und integral mit den Relikten der karolingischen Zeit, aber auch mit den heutigen Erfordernissen als Ganzes zu einer Synthese zu entwickeln, zumal in diesem Bereich die Baufelder der verschiedenen Epochen nicht nebeneinander, sondern übereinander liegen.
Die Aufgabenstellung, ein Stadthaus auf Jahrtausende altem historischem Boden in unmittelbarer Nähe zum Kaiserdom zu errichten, stellte an alle Beteiligte ungewöhnliche Ansprüche. Sollte es das Wettbewerbsziel gewesen sein, ein Werk zu schaffen, welches nicht nur ein neuerliches Dokument aktueller politischer Willensbildung, sondern vor allem auch eine kulturelle Leistung, die dem genius loci gerecht wird und auch den Respekt kommender Generationen verdient, so hat das jetzt vorliegende Wettbewerbsergebnis das Ziel verfehlt.

Frankfurt am Main, 18. Januar 2010
Martin Oster

Mehr zum Thema lesen Sie hier… Artikel FAZ Rhein Main Frankfurt vom 22.01.2010

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