Memorandum zur U-Bahnstrecke der U5

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Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrter Mitglieder von AIV und BDA,

die jüngsten Pressemitteilungen zum Wettbewerbsverfahren der VGF zur Gestaltung zweier Haltestellen der oberirdischen U-Bahnlinie U5 in der südlichen Eckenheimer Landstraße nehmen wir zum Anlass, Sie über die Auseinandersetzung des Städtebaubeirats mit diesem Thema zu informieren.
Wie Sie sicherlich wissen, gab es über mehrere Jahre einen heftigen Streit über den U-Bahn mäßigen Ausbau dieser Strecke, nicht nur wegen der Hochbahnsteige inmitten dieses traditionellen Straßenabschnitts.
Da wir nicht davon ausgehen, dass die kritischen und konstruktiven Stellungnahmen des Städtebaubeirats den Auslobungsunterlagen beiliegen, erlauben wir uns, Ihnen diese aufdiesem Wege zukommen zu lassen.
Freundliche Grüße
Martin Oster

Prof. DW Dreysse

Das vollständige Memorandum als PDF finden Sie hier…

Memorandum

Der jüngst vorgelegte, neue Entwurf zur Gestaltung der U5-Haltestelle „Musterschule“ sieht hinter einander versetzte Haltestellenbereiche vor, die sich, von der Jahnstraße bis zur Koselstraße erstreckend, zu einer Gesamtlänge von etwa 200 m addieren. Die Gleise sind gegenüber der Straßenachse wechselweise verschwenkt. Die Länge jedes Bahnsteigs ist in Höhenabschnitte von 60, 80 und wieder 60 cm gedrittelt, was jeweils der Länge einer Zugeinheit entspricht. Die mittlere Zugeinheit ist dadurch barrierefrei zugänglich.
Für die Gestalt des Straßenraums bedeutet dieser Entwurf keine Verbesserung gegenüber den bisherigen Vorschlägen. Die Bahnsteige liegen wie bisher wie Bollwerke im Raum, auch wenn sie teilweise nur 60 cm hoch sind. Die notwendigen Schutzgeländer werden den Eindruck weiter verstärken. Völlig unpassend blockieren die Bahnsteige, noch erhöht durch die Schutzdächer, die Zugänge von Mittelweg und Rappstraße. Nicht nur wird der Blick aus diesen und anderen Seitenstraßen blockiert, sondern es wird auch verhindert, dass Fußgänger und Radfahrer die Eckenheimer Landstraße weiterhin kreuzen können.
Für den Städtebaubeirat zeigt sich, dass mit noch so gut gemeinten und noch so akribisch geplanten technischen Bauwerken im Straßenraum eine befriedigende Lösung für diese Art Stadtbahn nicht gefunden werden kann. Der Städtebaubeirat stuft alle diese Vorschläge als das Stadtbild verschandelnd und als funktional unzulänglich ein. Er rät daher dazu, eine andere Denkrichtung einzuschlagen.
Mit der anstehenden Modernisierung der U5 steckt die Stadt Frankfurt in einem echten Dilemma. Einem Dilemma, das zurückreicht in die Entscheidungszeit in den 1960er Jahren für den Bau einer U-Bahn. Das Dilemma nämlich, dass diese U-Bahn aus Kostengründenin den Außenbezirken oberirdisch in den Straßenräumen geführt werden soll. Anstatt den Standard einer modernen Straßenbahn in die Tunnelstrecken zu verlängern, wurde der Standard einer U-Bahn in bestehende Straßenräume gequetscht. Der Standard einer U-Bahn besteht insbesondere in 80 cm hohen Wagenböden und Bahnsteigen, in 2,70 m breiten Wagentypen, in bis zu 100 m langen Zügen und in hoher Fahrgeschwindigkeit (ca. 60 km/h). Der Standard einer modernen Straßenbahn besteht dagegen aus Niederflurwagen mit 30 cm flachen Bahn- steigen, nur 2,40 m breiten Wagentypen, 35 m kurzen Zügen oder Doppelzügen und moderater Fahrgeschwindigkeit (40 km/h) mit Vorrangschaltung an Ampel- kreuzungen. Im ersten Fall können bis zu 13.000 Personen je Stunde befördert werden, im zweiten Fall bis zu 4.000 bzw. 8.000 bei Doppelzügen. Für die U5 wird nach dem GVP-Gutachten mit einem Bedarf von maximal 2.800 Personen gerechnet.

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Die entscheidende Frage ist die nach der Verträglichkeit des schienen- gebundenenVerkehrsmittels mit dem Stadtraum. Bei der U5 sind nach bisheriger Trassenführung folgende Stadträume betroffen:
– der beengte, traditionelle Straßenraum der südlichen Eckenheimer Landstraße
– der nördliche, aufgeweitete Straßenraum mit Alleecharakter
– der weitgehend anbaufreie Marbachweg
– die sich zu einer Hauptquartiersstraße entwickelnde Gießener Straße
– die noch nicht berührte Homburger Landstraße mit alten Alleebäumen
– sowie die vielfältigsten, nach Aufwertung schreienden Straßenkreuzungen. Die Stadtverträglichkeit lässt sich an drei wichtigen Vorgaben festmachen:
– In allen Straßenabschnitten, vielleicht mit Ausnahme des Marbachwegs, sollte darauf geachtet werden, dass durch die Stadtbahn keine räumlichen Trennwirkungen (durch Abzäunungen, Schotterbetten, hohe Geschwindig- keiten) wie bei dem eisenbahnmäßigen Ausbau der Eschersheimer Landstraße entstehen. Häufige Querungs- möglichkeiten sind für eine städtebauliche Qualität unentbehrlich.
– Haltestellen sind offen, von allen Seiten leicht zugänglich, leicht zu queren und auch für Behinderte einladend und sicher zu gestalten. Zugangskorridore, Treppenstufen und Schrägrampen sowie Absperrungen und Geländer sind zu vermeiden.
– Zu einer gestalterischen Verträglichkeit gehört selbstverständlich auch, dass das Gleisbett entweder von anderen Verkehrsteilnehmern mitbenutzt werden kann, d.h. asphaltiert ist, oder dass es im Rasenbett verlegt ist (übrigens seit Ernst May eine gute und alte Frankfurter Tradition). Oberleitungen sind so dezent wie möglich auszuführen. Es ist evident, dass diese Vorgaben mit einem U-Bahnstandard nicht zu erreichen sind. Die bisherigen U-Bahn-Außenstrecken in Frankfurt führen das deutlich vor Augen. Ein Ausnahmebeispiel bildet die Borsigallee (U4, U7), in der allerdings auch besondere Konditionen bestehen. Andererseits kann eine im Straßen- bahnstandard ausgestattete U5 nicht im Tunnel verkehren – es sei denn, alle Stationen würden entsprechend umgebaut. Es sollte aber trotzdem Ziel bleiben, die U5 zum Hauptbahnhof und darüber hinaus ins Europaviertel zu führen. Die Lösung aus diesem grundsätzlichen Dilemma kann nur in dem Einsatz eines neuen Wagentyps liegen, so wie schon seinerzeit mit dem Wagentyp P, der allerdings heute den Benutzer-Ansprüchen nicht mehr gerecht wird. Es muss ein Wagentyp sein, dessen Flurhöhe zwischen den Hochbahnsteigen im Tunnel und den Niederflurbahnsteigen imStraßenraum vermitteln kann. Die Flurhöhe müsste bei maximal 55 cm liegen, so dass man beim Einstieg im Tunnel eine Stufe von 25 cm nach unten oder in der Straße die gleiche Stufe nach oben geht. Für Behinderte müsste pro Wagen an einer bestimmten Türe eine Überbrückungs- hilfe angeboten werden, die sowohl im Wagen wie auch am Bahnsteig angebracht sein kann.

Das bedeutet:
– Sämtliche Bahnsteige außerhalb des Tunnels können mit einer Bordsteinhöhe von 30 cm errichtet werden. An unproblematischen Stellen könnte die Höhe auch 50 cm betragen.

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– An den Tunnelbahnsteigen müssten geringfügige Eingriffe vorgenommen werden (kleine, punktuelle Schrägrampen für jeweils eine Wagentüre).
– Es müssten neue Wagentypen angeschafft werden. Darüber wird die VGF zwar nicht erfreut sein. Das ist aber der Preis für eine von Anfang an verkorkste
Frankfurter Situation.
– Es könnte auch überlegt werden, die neuen Wagentypen statt in der klobigen UBahnbreite in der schmaleren Breite von Straßenbahnen auszuführen. In den Tunnelstationen mit der U4 müssten dann die Türschwellen 10 cm ausfahrbar sein.
– Es sollten maximal Doppelzüge mit 70 m Länge verkehren. Diese sind für die prognostizierten Fahrgastzahlen völlig ausreichend, und mit ihnen lassen sich auch die Haltestellenlängen in vernünftigen Ausmaßen halten. Als eventuell zu übertragendes Beispiel könnte die S-Bahn Karlsruhe gelten. Sie verkehrt im Stadtgebiet wie eine Straßenbahn und fährt in den Außengebieten auf den Gleisen der Deutschen Bahn. Der eingesetzte und noch zu verbessernde Wagentyp vermittelt zwischen unterschied-lichen Bahnsteighöhen. Seine Flurhöhe beträgt 60 cm. Es wäre zu prüfen, ob dieser Wagen probehalber von der Stadt Frankfurt ausgeliehen werden könnte. Sollte dieser Wagentyp der zukünftige Standard in Frankfurt werden, besteht die einmalige Chance, auch die Fehlentscheidung aus den 60er Jahren zu korrigieren und den Schienen-verkehr in der Eschersheimer Landstraße stadtverträglich zurückzubauen. Der Städtebaubeirat empfiehlt dringend, für die oberirdische Trassenplanung der U5, dem Beispiel anderer Städte folgend, einen integrativen Planungsansatz zu verfolgen unter Einbeziehung stadtplanerischer und architektonischer Fachkompetenz. Allein so kann die Stadt Frankfurt ihrem eigenen Anspruch gerecht werden, den öffentlichen Raum überall mit höchster Qualität zu gestalten.

Prof. DW Dreysse 19. Juni 2009

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PS Die VGF verwirft den Vorschlag allein mit dem Hinweis, ein Bahnsteigniveau dürfelaut Straßenbahn Betriebsverordnung nicht höher liegen als der Wagenboden, was im Tunnelbereich notwendig wäre. Das ist nicht korrekt. Die BO Strab, § 31 Abs.8 besagt: Die Bahnsteigoberfläche soll nicht höher liegen als der Fahrzeugfußboden. Es ist also eine Soll- und keine Muss-Regelung. Im Übrigen ist dem RMV-Fahrgast diese Art von Höhenunterschied bei den doppelstöckigen Regionalzügen in allen Bahnhöfen geläufig.

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